Sandra goes USA

Nachricht aus Chicago (Teil 2) – Fußball ist hier das ganz große Ding!

Heute erzähle ich euch von meiner neuen Mannschaft, den Chicago Red Stars, vom Training, den Auswärtsspielen und von der Stimmung in den Stadien. Aber erst einmal vorweg: Wie bin ich eigentlich hierhergekommen? Mein alter Verein, der VFL Wolfsburg, hat eine Kooperation mit Chicago. Für mich war es immer ein Traum, so einen Austausch mitzumachen und Fußball in den USA hautnah zu erleben.

Das habe ich auch geschafft: Von der ersten Sekunde an war ich mittendrin. Ich bin vom Flughafen abgeholt und direkt zum Training auf das Spielfeld gebracht worden, um die Mannschaft zu begrüßen. Ich habe mir das Training angeschaut, zunächst aber noch nicht mittrainiert, weil ich mich wegen des Jetlags erst einmal akklimatisieren musste, was eine Weile gedauert hat.

Doch plötzlich ging alles sehr schnell bei mir. Morgens hatte ich einen Medizincheck, den man hier braucht, um spielberechtigt zu sein. Mittags saß ich schon mit der Mannschaft in der Maschine nach Houston, wo wir ein Auswärtsspiel hatten. Ohne ein einziges Training hatte ich am nächsten Tag in Houston meinen ersten Einsatz auf dem Spielfeld. Das war ein prägendes Erlebnis: Ich hatte noch keinen richtigen Plan, wie die Mädels mit Nachnamen heißen, für wen ich einwechseln soll und auf welcher Position ich spiele, obwohl ich eigentlich im offensiven Mittelfeld bin. Bei der Zuteilung der Ecken sollte ich selbst entscheiden, wen ich anspiele. Ich wurde voll in den Spielbetrieb reingeworfen, das war ein Sprung ins kalte Wasser. Aber ich finde das auch spannend: Hier handhaben sie das anders, es gilt die Devise: Schau selbst, wo du stehen musst. Und mach dein Ding! Das zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch den ganzen Spielbetrieb. Alles wird lockerer genommen. Man kann auch bei Auswärtsspielen machen, was man will. Man muss noch nicht einmal zu den Mannschaftsessen kommen, man kann auch auswärts essen gehen.

Sandra Starke beim Training

Für mich war das am Anfang schon eine Umstellung, weil sie in den USA einen ganz anderen Fußball spielen als in Deutschland. Ich habe die ersten drei Wochen gebraucht, um mich darauf einzustellen. Inzwischen verstehe ich, wie sie spielen und was den Fußball hier so ausmacht. Das Spiel ist viel körperlicher, physischer und deutlich schneller. In Deutschland, gerade bei Wolfsburg, wurde mehr auf ein technisch überlegtes Spiel gesetzt. Da lief mehr der Ball und nicht die Menschen. Hier spielen sie einen kontaktreicheren Fußball. Aber ich finde das spannend, es sind tolle Erfahrungen, auch mit der Mannschaft hier.

Diese besteht aus recht jungen Spielerinnen. Von ihnen bin ich sehr herzlich aufgenommen worden, alle sind freundlich und offen. Das ist für die kurze Zeit, die ich hier bin, ein echter Gewinn. Aber die Mannschaft befindet sich auch in einer Umbruchphase. Ich glaube, dass sie ganz froh sind, sich mit mir mehr Erfahrung ins Team geholt zu haben. Das hat mich zwar am Anfang etwas unter Druck gesetzt, weil ich das Gefühl hatte, sie erwarten viel von mir, obwohl ich das Spiel noch nicht so ganz verstehe. Aber inzwischen läuft es richtig gut.

In der Eingewöhnungsphase hat mir auch mein Vater geholfen. Er kommt ebenfalls aus dem Fußball, hat viele Jahre als Fußballtrainer in Namibia gearbeitet. Mit ihm kann ich über die Technik und den Spielaufbau reden und alles analysieren. Er steht sogar nachts auf und schaut sich Auswärtsspiele von uns an, wenn sie übertragen werden. Die Stimmung in den Stadien ist hier eine völlig andere Nummer. Die USA sind sehr weit voraus im Frauenfußball. Seit langer Zeit ist Frauenfußball überaus populär, es ist der Sport Nummer 1 und angesehener als Männerfußball. Jedes Spiel hat über 15.000 Zuschauer:innen. Die Stimmung ist unbeschreiblich, das ganze Stadion fiebert mit, jeder brüllt und feiert. Du hast gerade einen Angriff und das ganze Stadion gerät völlig aus dem Häuschen. Nach dem Spiel kommen viele Fans auf dich zu und wollen Autogramme haben. Es ist ein schönes Gefühl, Fans zu erleben, die so mitgehen und uns so unterstützen. Das werde ich in Deutschland definitiv vermissen.

Sandras Reise miterleben

Sandra Starke, deutsche Profifußballerin und Diabetespatientin, spielte von Mitte Mai bis Ende Juni 2023 für die Chicago Red Stars. In ihrem neuen Reiseblog berichtet sie von ihrer Zeit in den Staaten – den Herausforderungen, den Überraschungen und den schönsten Momenten.

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